175-Jahre-YMCA-Feier im Klecks


Am 06.06.1844 wurde in London der erste CVJM von George Williams und einigen seiner Freunde gegründet. Deshalb haben am 06.06.2019 vielen CVJM-Ortsvereine dieses großartigen Ereignis gewürdigt. Natürlich hat auch der CVJM-Arche eine Jubiläumsparty gefeiert.

Um 18:44 Uhr begann in unserem Gruppenraum im Klecks die Feierstunde mit einer Andacht. In einem Tagebuch hat ein fiktiver Freund von George Williams die Zeit um das Jahr 1844 festgehalten. Industrielle Revolution, große Not unter den Arbeitern, schlechte Arbeitsbedingungen. George Williams wollte den Leuten in London helfen und ihnen von Jesus Christus erzählen. Das mündete dann am 06.06.1844 in die Gründung eines christlichen Vereins junger Männer. Das fiktive Tagebuch hat uns diese Zeit sehr deutlich vor Augen geführt.

Die Andacht stand unter den Worten des Psalm 62: Meine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft.  Denn er ist mein Fels, meine Hilfe, mein Schutz, dass ich gewiss nicht wanken werde.

Im Anschluss haben wir unsere Gedanken und Wünsche für den CVJM als Lichter symbolisch um das CVJM-Dreieck gelegt, wie Jesus gesagt hat: Lasst euer Licht leuchten. 

Es wurde auf das Wohl des CVJM angestoßen und wir haben bei etwas Leckerem zu Essen und Trinken noch lange zusammengesessen.

 

An dieser Stelle veröffentlichen wir die Auszüge aus dem fiktiven Tagebuch:

Tagebuch von William Shakesbeer

Donnerstag, 05. Mai 1842

Es wird für unseren Familienbetrieb immer schwerer zu bestehen. Früher haben die Weber und Tuchhändler von der Nähe zu großen Städten profitiert, auch hier in Epping, direkt vor den Toren Londons. Aber die guten alten Zeiten sind vorbei. Die „Spinning Jenny“, die mit 8 Spindeln gleichzeitig soviel effektiver Wolle spinnen kann, macht uns die Preise kaputt. So schnell und mit so wenigen Arbeitern, da können wir nicht mithalten. Wo soll das noch hinführen?

Dienstag, 11. Oktober 1842

Vater ist heute sehr verzweifelt vom Markt in London nach Hause gekommen. Er konnte so wenig von unserem neuen Tuch verkaufen, dass das Geld kaum reicht, Essen für die Familie einzukaufen, geschweige denn Kohle für den bevorstehenden Winter. So kann es nicht weitergehen! Ich muss mich bald entscheiden, ob ich bleibe, oder weggehe und meinem älteren Bruder den Betrieb alleine überlasse.

Montag, 07. November 1842

Meine Entscheidung ist gefallen! Es hat keinen Sinn, länger zu warten, die Lage ist zu katastrophal für meine Familie! Ich werde mein Glück in London versuchen. Als gelernter Weber und Tuchhändler werde ich sicherlich Arbeit finden. Morgen früh werde ich gehen. Ich bin sehr aufgeregt!

Mittwoch, 09. November 1842

Alle Tuchhändler, die ich bisher aufgesucht habe, können im Moment niemanden gebrauchen. Habe erstmal eine Arbeit in der Färberei Smith angenommen und mir im Arbeiterviertel eine Unterkunft besorgt. Es ist geradeso erschwinglich, aber es herrschen schlimme Zustände dort. Ich hoffe sehr, dass ich bald eine bessere Stelle bekommen werde, lange halte ich es hier nicht aus!!!

Mittwoch, 20. April 1843

War die letzten Monate zu erschöpft zum Schreiben. Ich kann bald nicht mehr!!! Jeden Tag 16 Stunden arbeiten, nur jeden 3. Sonntag frei, und das für einen Hungerlohn! Die Arbeit ist stumpf und hart, habe Schmerzen im Rücken. Immer muss man funktionieren, so als ob man selbst eine Maschine geworden ist. Die Wertschätzung als Mensch ist nicht mehr vorhanden, es geht nur darum, wieviel Profit du machst. Und dann diese Unterkunft – grausam!!! Wir sind 12 Personen in einem Zimmer ohne Wasseranschluss und Kanalisation. Für Betten und Tische ist kein Geld da, alle schlafen auf dem Boden durcheinander. Es ist feucht, kalt und es stinkt. Weil die Belüftung so schlecht ist, hat man das Gefühl, dass man beim Atmen gar nicht genug Luft bekommt. Und dann die vielen Kranken Menschen hier. So schlimm! Zum Glück ist in meinem Zimmer noch keiner schwer erkrankt. Ich hoffe so sehr, dass es meiner Familie besser geht. Werde ihnen auf keinen Fall schreiben, wie es hier ist.

Samstag, 22 April 1843

Heute ist Samstag. War nach der Arbeit auf dem Markt, um Essen einzukaufen und habe wieder nur noch die vergammelten Reste an Fleisch und Gemüse kaufen können. Alles andere wird immer vorher schon von den Reichen weggekauft – die können ja auch schon eher hingehen. Es ist alles so ungerecht!!! Seit gestern haben einige meiner Zimmergenossen auch noch angefangen, zu husten, einer sogar blutig. Ich trau mich gar nicht mehr dorthin, weil ich mich nicht anstecken möchte, aber wo soll ich sonst schlafen? Auf der Straße? Ich bin so verzweifelt, ich weiß einfach nicht mehr weiter! So hat das Leben keinen Sinn!

Sonntag, 23. April 1843

Endlich, mein einziger freier Sonntag in diesem Monat ist da! Ich muss hier heute raus! Habe von einem freikirchlichen Prediger namens Thomas Binney gehört, der in der „The Old King‘s Weigh House Chapel“ heute Gottesdienst hält. Werde dorthin gehen. Ich bin nicht besonders gläubig, aber es ist sicherlich besser, als hier zu bleiben. Ich weiß nicht warum, aber ich freue mich sogar ein wenig darauf.

Montag, 24. April 1843

Der Gottesdienst gestern war sehr beeindruckend. Thomas Binney hat über Jesus gepredigt, über Gottes Liebe und wie Gott ein Leben total neu machen kann. Ich war sogar in der Sonntagsschule. Da habe ich George und Valantine getroffen, zwei Freunde, die sich hier sehr engagieren. Sie erzählten mir von ihrer Arbeit im berühmten Kaufhaus „Hitchcock“. Da kauft die Londoner High Society ein. Sie haben wohl 140 Kollegen. Sechsmal in der Woche dreizehn Stunden arbeiten und eine halbe Stunde Zeit, um drei Mahlzeiten einzunehmen.

Ich dachte mir: Jeden Sonntag frei. Das ist ja fast paradiesisch. Auf jeden Fall besser als die Färberei des alten Smith.

 

Donnerstag, 27. April 1843

Ich habe mich beim alten Smith krank gemeldet und habe mich getraut, zum Kaufhaus Hitchcock zu gehen. Ich habe erst einmal George gesucht. Ich habe gleich gemerkt, wie es George Spaß macht, Kunden zu bedienen. Und ganz offensichtlich macht es auch den Kunden Spaß, sich von George mit dem bedienen zu lassen. Er hat ein sehr angenehmes Wesen.

George hat mir das Büro vom Chef gezeigt und noch ein gutes Wort für mich eingelegt Hitchcock hat erst gezögert, hat sich aber dann doch zu einem „Ja“ herab gelassen. „Ich werde dir eine Chance geben“, waren seine Worte. Morgen kündige ich beim alten Smith und Montag fange ich hier an.

 

Montag, 01. Mai 1843

Mein erster Tag im Kaufhaus „Hitchcock“. Ich fühle mich eigentlich ganz wohl. Ich wohne jetzt im gleichen Haus und teile ich mir mit 5 Kollegen ein Zimmer. Es gibt zwar nur 3 Betten, aber das ist mir egal. Wir tauschen einfach immer mal. Im Vergleich zu meiner früheren Bleibe ein voller Gewinn. Ich schreibe jetzt einmal meiner Familie, dass es mir gut geht.

 

Mittwoch, 03. Mai 1843

Ich stelle mich eigentlich ganz gut an. Meine Erfahrung als Weber und Tuchhändler kann ich gut einbringen. Heute Abend treffen sich einige Kollegen in Georges Zimmer. Ich will auch hingehen.

 

Donnerstag, 04. Mai 1843

Es war gestern ein toller Abend. Zwei meiner neuen Kollegen haben kurze Vorträge gehalten. Wir haben uns über Astronomie, Geologie und Bergbau, über hebräische Schriften und die Verfolgung der ersten Christen unterhalten.

 

Sonntag, 14. Mai 1843

Ich war wieder mit George und Valantine im Gottesdienst. Der Prediger hat gradlinig gesprochen. Ich habe gedacht, er spricht ausschließlich zu mir. Er las aus Psalm 62: „Meine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft. Denn er ist mein Fels, meine Hilfe, mein Schutz, dass ich gewiss nicht wanken werde.“ Mit seinen 84 Jahren stand der Prediger vor einer Gruppe junger Männer und erklärte ihnen. „Falls ihr ein glückliches, sinnvolles und reiches Leben führen wollt, dann gebt eure Herzen Gott, solange ihr noch jung seid.“

Ich habe mich entschieden, Jesu Vergebung anzunehmen und von jetzt an mit Jesus zu leben.

 

Sonntag, 21. Mai 1843

George meint, dass ein Christ nicht ohne Gebet leben kann und dass er Gemeinschaft mit anderen Christen suchen sollte. Wir wollen deshalb Bibel- und Gebetsstunden anbieten.

 

Sonntag, 02. Juli 1843

George, Valantine und ich helfen in der Lumpenschule mit. Sie ist auf der anderen Seite der Themse, eine wirklich armselige Gegend.

 

Dienstag, 24. Juli 1843

Es kommen immer mehr Kollegen zu unseren Vortrags- und Gebetsstunden. Die Zimmer sind einfach zu klein. Mr. Hitchcock hat uns einen größeren Raum zur Verfügung gestellt. Überhaupt will George unbedingt, dass auch unser Chef ein ernsthafter Christ wird.

 

Sonntag, 13. August 1843

In der letzten Zeit hat unser Textilgeschäft Hitchcock immer mehr ein christliches Image bekommen. Der Chef findet es gut. Heute hat Mr. Hitchcock verkündigt, dass in Zukunft jeden Morgen um sieben Uhr eine Gebetsandacht stattfinden wird.

 

Mittwoch, 1. November 1843

Der Chef, Mr. Hitchcock, unterstützt uns sehr. Heute hat er verkündet, dass die Arbeitszeit ab sofort auf sieben Stunden pro Tag gekürzt wird. Sogar in der Times hat dazu etwas gestanden: „Die jungen Angestellten sind als Folge der Arbeitszeit-Verkürzung fleißig, freundlich und heiter geworden. Der Firmenchef George Hitchcock will nicht, dass die Angestellten auf Kosten des Gottesdienst-Besuchs am Sonntag spazieren gingen und gibt ihnen daher den Samstagnachmittag frei.“

 

Dienstag, 07. Mai 1844

Nach unserer Bibelstunde haben George und ich mit ein paar anderen jungen Männern beschlossen, dass wir uns am 6. Juni treffen wollen, um über den Sinn einer Vereinigung nachzudenken. Wir wollen die gläubigen Männer aus den Tuchhandelsgeschäften Englands zusammenschließen. Wir wollen die jungen Männer zeitgemäß und kreativ ansprechen und sie für Christus gewinnen. George sagte zum Ende des Abends: „Geht voran, erwartet große Dinge von Gott“

 

Donnerstag, 06. Juni 1844

Heute haben wir uns in Georges Zimmer getroffen und einen Verein gegründet. Wir sind Freikirchliche, Methodisten, Baptisten und Männer aus der anglikanischen Kirche, deshalb wollten wir keine Konfession sein, sondern ein christlicher Verein, der ausschließlich durch den gemeinsamen Glauben zusammengehalten wird. Valantine wurde Schatzmeister

Übrigens hat heute das Parlament ein neues Arbeitszeitgesetz beschlossen. Die maximal erlaubte Arbeitszeit betrug fortan zwölf Stunden pro Tag. Man sieht, unser Einsatz lohnt sich.

 

Freitag, 06. Juni 1845

Nun gibt es unseren Verein bereits ein Jahr. Der Name „Young Men’s Christian Association“ ist zu einem Begriff in London und Umgebung geworden

 

Unser Vortragsprogramm in der Exeter Hall ist stadtbekannt. Weil wir alle erlebt haben, wie einsam man in dieser Stadt sein kann, helfen wir auch ganz praktisch. Jeder von uns ist für ungefähr fünf junge Männer da, wir beten für sie und nehmen Anteil an ihrem Leben, und laden sie zu Gottesdiensten und zum gemeinsamen Bibelstudium ein.

 

Mittwoch, 06. Juni 1894

Heute feiert der YMCA seinen 50. Geburtstag. Die Feier wurde in der Westminster Abbey eröffnet. Der Dankgottesdienst wird in der St.-Pauls-Cathedral gefeiert und George wird zum Ehrenbürger von London. Übrigens hat er Helen Hitchcock, die Tochter unseres Chefs geheiratet und nach dem Tod seines Schwiegervaters das Geschäft übernommen. Wenn er in seinem Geschäft aus- und eingeht, trifft er sich mittags in seinem ehemaligen Zimmer mit Gästen zum Essen und zum Gebet.

George und ich treten schon lange Zeit kürzer. Längst haben jüngere Leute die Hauptarbeit übernommen, sogar auch Mädchen und Frauen machen mit. Vereine in ganz Europa und Amerika wurden gegründet. Sechzehn Weltkonferenzen wurden abgehalten, bei der Ersten am 22. August 1855 entstand die ‚Pariser Basis“, die bis heute unsere Vereine zusammenschließt:

„Die Christlichen Vereine Junger Männer haben den Zweck, solche jungen Männer miteinander zu verbinden, welche Jesus Christus nach der Heiligen Schrift als ihren Gott und Heiland anerkennen, in ihrem Glauben und Leben seine Jünger sein und gemeinsam danach trachten wollen, das Reich ihres Meisters unter den jungen Männern auszubreiten.“